Die wohlverdienten Weihnachtsferien nähern sich, aber auch das Praktikum nähert sich für viele Studierende. In dieser ruhigeren Zeit soll dieser kurze Text dazu einladen, sich auf das Kommende einzustimmen und vielleicht die eine oder andere Idee für das bevorstehende Praktikum mitzunehmen.
Wenn weniger Kontrolle zu mehr Ordnung führt
Klassenmanagement gilt als eine der zentralen Kompetenzen von Primarlehrpersonen. Gerade Studierende erleben im Praktikum häufig, dass Unterrichtsplanung zwar gut gelingt, die tatsächliche Durchführung im Klassenzimmer jedoch durch Unruhe, Unterbrechungen oder mangelnde Aufmerksamkeit erschwert wird. Lange Zeit wurde angenommen, dass ein wirksames Klassenmanagement vor allem auf klaren Regeln, konsequenter Führung und ständiger Kontrolle basiert. Neuere Befunde aus der Bildungsforschung zeigen jedoch ein differenzierteres und auf den ersten Blick überraschendes Bild. Weniger Kontrolle kann zu mehr Ordnung führen.
Der Befund Geteilte Verantwortung reduziert Störungen
Mehrere Studien aus dem deutschsprachigen Raum zeigen, dass Klassen mit hoher Schülerverantwortung langfristig weniger Unterrichtsstörungen aufweisen als Klassen, die stark lehrpersonenzentriert geführt werden. Besonders auffällig ist dabei, dass nicht die Anzahl der Regeln entscheidend ist, sondern wie diese im Alltag gelebt werden.
Klassen, in denen Regeln gemeinsam erarbeitet, regelmässig reflektiert und von den Schülerinnen und Schülern selbst mitgetragen werden, zeigen ein stabileres Arbeitsklima. Die Lehrperson tritt weniger als Kontrollinstanz auf, sondern stärker als strukturierende Begleitung. Dieser Rollenwechsel wirkt sich positiv auf die Lernatmosphäre aus. Störungen nehmen ab, Übergänge gelingen flüssiger und die Selbststeuerung der Kinder nimmt zu.
Warum funktioniert das gerade in der Primarstufe
Entgegen der verbreiteten Annahme, jüngere Kinder benötigten besonders viel äussere Kontrolle, zeigt sich gerade in der Primarstufe ein grosses Potenzial für Selbstregulation. Kinder im Primarschulalter reagieren sensibel auf Beziehung, Fairness und Mitbestimmung. Werden sie ernst genommen und in Entscheidungsprozesse einbezogen, entwickeln sie ein stärkeres Verantwortungsgefühl für die Klasse als Gemeinschaft.
Ein zentraler Faktor ist dabei die Vorhersehbarkeit des Unterrichts. Klare Rituale, transparente Abläufe und verlässliche Strukturen geben Sicherheit. Gleichzeitig ermöglicht ein gewisser Handlungsspielraum den Kindern, sich aktiv einzubringen. Diese Kombination aus Struktur und Autonomie scheint ein Schlüssel für erfolgreiches Klassenmanagement zu sein.
Konsequenzen für die Ausbildung von Lehrpersonen
Für die Ausbildung angehender Primarlehrpersonen ergibt sich daraus ein wichtiger Impuls. Klassenmanagement sollte nicht ausschliesslich als Technik der Kontrolle vermittelt werden, sondern als Beziehungs und Organisationsarbeit. Studierende profitieren davon, wenn sie lernen, Verantwortung bewusst an Schülerinnen und Schüler abzugeben, Klassenregeln gemeinsam zu entwickeln und regelmässig zu reflektieren, Störungen nicht nur zu unterbinden, sondern ihre Ursachen zu analysieren und den eigenen Führungsstil kritisch zu hinterfragen.
Gerade im Praktikum erleben Studierende häufig einen Spannungsbereich zwischen dem Wunsch nach Kontrolle und der Realität des Klassenzimmers. Die Auseinandersetzung mit diesem Befund kann helfen, Sicherheit nicht in Strenge, sondern in Klarheit und Beziehung zu finden.