Der Unterricht vor 25 Jahren. Wie hat sich die Schule verändert? - Interview mit 2 «erfahrenen Lehrpersonen»

 

Wenn du mit einem Satz zusammenfassen müsstest, wo hat sich die Schule in deinen Augen am meisten verändert?

-        Ich denke die Autorität und das Ansehen der Lehrer hat sich massiv verändert. Von meiner eigenen Schulzeit bis zu Beginn meiner Lehrtätigkeit und während meiner Karriere auch wieder extrem.

-        Ich finde die Kinder müssen in kürzerer Zeit mehr machen und lernen. Wir haben mehr Fächer und mehr Stunden. Der Lehrplan ist voller, wir können nicht mehr alternieren. Ich habe das Gefühl die Kinder müssen den Stoff schneller verstanden haben.  

Empfindest du diese Veränderung als gut oder schlecht?

-        Manchmal denke ich, dass etwas mehr Ansehen vor allem nicht schaden würde. Vor allem wenn ich noch am Abend spät meine Lehrerfahrung einem übereifrigen Elternteil gegenüber rechtfertigen muss. Natürlich ist es gut, wenn Lehrer als fehlbare Menschen betrachtet werden und die Eltern nicht «Ja und Amen» zu allem sagen. Aber manchmal ist es auch etwas einschränkend, wenn man immer durch 7 Ringe hüpfen muss bevor man seinen Unterricht durchführen kann. Früher konnten wir viel einfacher eine Exkursion durchführen oder einfach mal in den Wald gehen. Es scheint mir heute alles viel komplizierter

-        Ich finde es natürlich schade, dass besonders schwächere SuS mit 2 Fremdsprachen zu kämpfen haben. Nicht dass Fremdsprachen schlecht sind. Nichts was in den letzten 28 Jahren dazugekommen ist an Stoff ist per Definition schlecht oder Fehl am Platz in der Primarschule. Aber es schafft mehr Überforderung als es früher gegeben hat. Andererseits nutzt man heute auch viel mehr verschiedene Methoden und besonders Technologie, was wichtig ist.

Welche Veränderung nimmst du am positivsten wahr?

-        Ich habe manchmal das Gefühl, dass einige Kinder sich der Umwelt und dem vorsichtigen Umgang mit begrenzten Ressourcen bewusst sind. Ich unterrichte heute auch 5.-6. Und habe meinerzeit mit Erstklässlern angefangen. Da könnte dieser Unterschied auch daran liegen.

-        Die Kinder sind emanzipierter und selbstständiger. Sie trauen sich mehr als früher. Das gefällt mir sehr.

 

Welche Veränderung stört dich am meisten?

-        Im Moment bin ich etwas auf den Felgen muss ich sagen. Ich hatte ursprünglich den integrativen Unterricht mir sehr herbeigewünscht und ich bin immer nach wie vor ein Fan von der Idee und dem theoretischen Konzept. Aber mittlerweile habe ich Kinder in der Klasse, denen auf dem Papier Unterstützung zusteht, welche nicht existiert. Ich möchte meine SuS gut und anständig unterrichten, aber wenn ich mit 4 IF und einem IS-Kind im Unterricht sitze und keine heilpädagogische Unterstützung erhalte, weder integrativ noch separativ, und das seit Monaten, dann muss ich sagen: es stinkt mir ein bisschen. Meinetwegen und der Kinder wegen ganz besonders.

-        Die Administration in meinem Job ist enorm gewachsen. Ich habe oft das Gefühl, dieser ganze Papierkrieg nimmt mir so viele Nerven und Zeit weg, die ich lieber in den Unterricht investieren würde. Ich mag meinen Job nach wie vor. Aber ich sehe keine logische Begründung für diese Flut an Formularen und Protokollen, welche dann doch nicht angeschaut oder befolgt werden.

Zum Zweiten haben sich die Eltern verändert. Früher war das Erledigen von Hausaufgaben, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit ein wichtiges Gut. Die Eltern konnten aber auch früher damit leben, wenn ihr Kind nicht immer überall Bestnoten machte. Heute hat das gedreht. Eltern sind extrem streng mit ihren Kindern, was das Erreichen von guten Noten angeht. Hausaufgaben, Lernen und solche Dinge, die langweilig sind und worin manch ein Kind heute noch ab und zu Unterstützung benötigte, werden von den Eltern viel eher «entschuldigt» und eine Ausrede dafür gesucht.

 

Wie lautet dein Rat für alle neuen Lehrpersonen, die bald fertig werden?

-        Übertreibt es nicht mit dem Aktionismus. Viele neue Lehrpersonen meinen, sie müssen die Welt neu erfinden und brennen sich innerhalb von ein paar kurzen Jahren wieder aus. Ihr werdet einen schönen und guten Job machen, vor allem wenn ihr nicht perfekt sein wollt.

 

-        Schaut dass ihr ein gutes Team habt. Suche dir gute «Gspändli» mit denen du arbeiten kannst. Wenn du alles alleine machen willst, wird dich dieser Job kaputt machen. Vor allem heutzutage.